Die »Qualität« von Studiengängen soll momentan durch das bundesweite Akkreditierungswesen sichergestellt werden. In diesem System ist der sogenannte Akkreditierungsrat das höchste Gremium. Er verleiht das Recht zur Akkreditierung an Agenturen. Mit diesen Agenturen können die Hochschulen Verträge zur Akkreditierung ihrer Studiengänge abschließen. Eine Gutachter*innengruppe (Professor*innen, Berufsexpert*innen und Studierende) entscheidet dann anhand der Antragsunterlagen und den Eindrücken bei der Begehung vor Ort über die (eingeschränkte) Zulassung oder Ablehnung des Studiengangs. Dieser Prozess wiederholt sich alle fünf bis sieben Jahre.
Ob durch Akkreditierung eine geeignete Qualitätssicherung stattfindet, ist kritisch zu hinterfragen. Bereits seit der Einführung des Akkreditierungssystems steht die Akkreditierung von nahezu jeder beteiligten Institution und jedem beteiligten Akteur in der Kritik – auch von Seiten der Studierenden.
Das ausstehende Urteil des Verfassungsgerichts ist ein zusätzlicher Hinweis, dass Kritik angemessen ist. Aufgrund einer negativen Akkreditierungsentscheidung klagte die private SRH Fachhochschule Hamm vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg 2010 gegen die zuständige Akkreditierungsagentur. Der kritische Punkt ist, dass der Akkreditierungsrat als Stiftung des Landes NRW hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, die ihm wohl nicht rechtskräftig übertragen wurden. Der Akkreditierungsrat stellt selbst die inhaltlichen und strukturellen Kriterien für Akkreditierungen auf.
Mit dieser Entscheidung, die nach wie vor in der Schwebe ist, wurde die Kritik am Gesamtsystem und vor allem an seiner rechtlichen Ausgestaltung auf eine neue Ebene gehoben. Durch die strukturelle Kritik bleibt die Debatte um inhaltliche Ziele auf der Strecke. Die vergangenen zwölf Jahre des ↑ Bologna-Prozesses und seiner Umsetzung in Deutschland sind bisher nahezu ausschließlich in Form struktureller Reformen verstanden worden. Die Akkreditierung, eigentlich ein Mittel zur Überprüfung von Mindeststandards, wurde zum zentralen Werkzeug zur Implementierung der Reformen. Dabei fanden eben gerade die Aspekte Beachtung, die sich durch ein formalisiertes Abprüfen von festgelegten Kriterien im Rahmen einer Begutachtung einfach und nachweisbar prüfen lassen. Es wurde allerdings übersehen, dass der Bologna-Prozess spätestens seit dem Berliner Communiqué von 2003 weit mehr enthält, als nur die Schaffung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse. Anhand der immer wieder aufkommenden Kritik an der Fokussierung auf Fragen der Studienstruktur wird deutlich, dass der Bologna-Prozess in Deutschland vielerorts nicht vollständig verstanden wurde: Eine stärkere Fokussierung auf den Paradigmen- und Perspektivwechsel von Input zu Outcome, von SWS zu ECTS (↑ Leistungspunkte/ECTS) und von Lehrendenzentrierung zu Studierendenzentrierung, sowie grundsätzlich neue Didaktikkonzepte sind hierzu notwendige erste Schritte. Gerade die inhaltlichen Reformen könnten zur Anerkennung des Prozesses durch Studierende beitragen. Besonders im europäischen Kontext gibt es viele Beispiele, wie beispielsweise Schweden, Großbritannien und Norwegen, die hier klare Wege zeigen können. Mit den aktuell gültigen Ansätzen für das Akkreditierungssystem ist die inhaltliche Umsetzung des Bologna-Prozesses offensichtlich nicht zu erreichen. Die Hochschulen vermeiden außerdem vielfach einen grundsätzlichen Studiengangsentwicklungsprozess, indem sie sich darauf konzentrieren, formalen Kriterien zu entsprechen, anstatt Lehr- und Lernbedingungen tatsächlich neu zu denken und dabei stetig zu verbessern. Dies mag mit den umfangreich formulierten Anforderungen im Rahmen des aktuellen Akkreditierungsprozesses zusammenhängen, offenbart dabei allerdings eine weitere Schwäche in der Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland: eine chronische und fahrlässige Unterfinanzierung durch den Gesetzgeber. Dadurch werden diejenigen Hochschulen und Fachbereiche, die auch von sich aus aktiv werden, massiv behindert, während die Verbesserungen bei den übrigen Hochschulen marginal bleiben. In jedem Fall muss konstatiert werden, dass Qualitätssicherung kein Instrument sein kann, um oktroyierte Einsparungen durchzusetzen. Ein großer Teil der oft kritisierten Bürokratisierung ist allerdings von den Hochschulen selbst zu verantworten.
Die Idee von Mindeststandards ist es nicht, die Hochschulen tunnelartig zu einem diffusen Ziel zu führen, sondern ihnen einen roten Faden für ihren Gestaltungsspielraum zu geben. Die Nutzung dieses Gestaltungsspielraumes ist dabei der beste Beweis für ein elaboriertes Qualitätsverständnis (↑ Bologna-Glossar).
Sowohl die Frage nach der Umgestaltung der institutionalisierten Qualitätssicherung wie auch die nach der Neuschaffung strukturierter Qualitätsentwicklung an deutschen Hochschulen stellt sich damit dringender denn je.
Daneben existiert, ebenfalls einmalig in Europa, ein weiteres Problem: die Etablierung mehrerer Agenturen nebeneinander und der dadurch intendierte Wettbewerb innerhalb des Qualitätsprozesses. Dieser ist klar abzulehnen. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass für einige Agenturen die Sicherstellung der Erfüllung von Standards in Qualität in Studium und Lehre hinter die Erlangung von Marktmacht zurücktritt. Dieses kann kein Zweck eines Systems zur Sicherung und Entwicklung von wie auch immer definierter Qualität an deutschen Hochschulen sein. Auch wenn die Agenturen kostendeckend arbeiten müssen, so haben sie doch durch umfangreiche wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Aufgabe, eine kontinuierliche Finanzierung auch längerfristig innerhalb eines privat organisierten Marktes sicherzustellen. Alleine schon diese Notwendigkeit der Marktlogik steht an vielen Stellen einer tatsächlich (wirtschaftlich, institutionell, politisch, …) unabhängigen Bewertung im Wege. Qualität von Studium und Lehre kann also nicht auf einem privaten Markt konkurrierender Agenturen gesichert werden. Unter diesen Bedingungen kann es nicht zur Sicherung oder gar Entwicklung von Qualität kommen.
In der BRD gibt es neben ländergemeinsamen Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz, die in allen Bundesländern gelten, länderspezifische Strukturvorgaben, welche die individuellen Präferenzen der verschiedenen Bildungssysteme der Bundesländer berücksichtigen sollen.
Die Möglichkeit, landesspezifische Vorgaben verbindlich erlassen zu können und damit die Vergleichbarkeit des Systems grundsätzlich in Frage zu stellen, steht den Zielen des Bologna-Prozesses entgegen und ist im europäischen Vergleich einmalig. Im Hinblick auf die Forderung nach der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes ist es beschämend zu sehen, dass es innerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufgrund von regionalen Interessen durch den Bildungsföderalismus nicht einmal gelungen ist, einen bundesdeutschen Hochschulraum zu schaffen.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass ohne ein grundsätzliches Umdenken keine wirkliche Verbesserung des aktuellen Systems zu erwarten ist. Die Probleme sind so fundamentaler Natur, dass durch begrenzte Kurskorrekturen diese nicht bewältigt werden können. Notwendig ist hierfür zuallererst ein Bewusstsein für die Ziele einer Akkreditierung:
Eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Qualitätssicherung als imperativer, externer Top-Down-Prozess und Qualitätsentwicklung als meist hochschulinterner Bottom-Up-Prozess ist sinnvoll. Die zugehörigen Prozesse dürfen auch im Rahmen der Akkreditierung nicht vermischt werden. Hier muss eine klare Trennung sowohl in Bezug auf Entscheidungskompetenzen als auch auf den Verfahrensansatz erfolgen. Eine Qualitätsentwicklung im Sinne eines freien, selbst gestalteten Prozesses kann in einem Kontext von Restriktionen und Auflagen nicht entstehen, sondern erfordert einen integrativen Prozess aller Beteiligten auf Hochschul- und Fachbereichsebene. Erst wenn für die Hochschulen Freiräume (auch finanzieller Natur) geschaffen werden, kann ein solcher entstehen.
Ziel kann es deswegen nicht sein, die Hochschulen in ihrer Handlungsfähigkeit zu beschränken und innerhalb des gleichen Prozesses die Entwicklung eines eigenständigen Bewusstseins für Qualitätsentwicklung zu fordern. Vielmehr sollte Qualitätssicherung schlicht auf eine verpflichtende Überprüfung von strukturellen Mindeststandards abzielen, insbesondere bezüglich der Studierbarkeit für eine heterogene Studierendenschaft.
Um die Entwicklung von Studienqualität an Hochschulen zu fördern, ist zudem eine externe Beratung von Hochschulen durch Expertinnen und Experten, und explizit auch von Studierenden, die bereits sowohl in der Gestaltung von Studienmodellen wie auch in der Umsetzung des Bologna-Prozesses Erfahrung gesammelt haben, notwendig und sinnvoll.
Dieser Beratungsvorgang darf für die Hochschulen allerdings nicht verpflichtend vorgesehen, sondern muss als zentrale Maßnahme auf Bundesebene und als Ergänzung zum eigentlichen Akkreditierungsprozess verstanden werden. Ergebnisse aus diesem externen Beratungsverfahren dürfen dabei keinerlei Verpflichtungen für die Hochschulen enthalten, sondern sollen diesen ausschließlich als Orientierungshilfe dienen.
Zusätzlich müssen durch eine zentrale Weitergabe von Best Practice-Beispielen ein neuer Standard und eine Kooperation der Hochschulen implementiert werden, damit die besten Lösungen unter den Hochschulen gefördert werden können. Hier sind die Hochschulrektorenkonferenz, der Deutsche Hochschulverband und andere Stakeholder in der Verantwortung zu handeln. Auch die Studierenden sind sich ihrer Verantwortung hier bewusst und müssen als wichtige Instanz im Prozess entsprechend eingebunden werden, denn diese können die Auswirkungen von inhaltlichen und strukturellen Veränderungen am besten rückkoppeln.
Der Akkreditierungsprozess als Prozess der Überprüfung von Mindeststandards in der Studiengestaltung selbst darf dabei nicht an Bedeutung verlieren und muss deswegen weiterhin verpflichtend vorgesehen werden. Er muss sich an klar definierten Standards und Leitlinien im europäischen Kontext und insbesondere an den European Standards and Guidelines (ESG) orientieren. Diese müssen verbindlich für alle akkreditierten Studiengänge gelten und Anwendung finden. Der Umfang dieser Regularien muss dabei allerdings neu diskutiert werden. Die Ländergemeinsamen Strukturvorgaben können dabei als Orientierung dienen, sind allerdings in ihrer aktuellen Ausgestaltung und vor allem im Kontext der zusätzlich dazu geltenden Regularien von Seiten des Akkreditierungsrates deutlich zu detailliert. In der Umsetzung der Ideen von Bologna darf und muss auch Gestaltungsspielraum für neue Ideen erhalten bleiben und neu geschaffen werden. Dabei muss allerdings sichergestellt sein, dass die bereits durchgeführten und erreichten strukturellen Reformen sinnvoll beibehalten und weiterentwickelt werden. Der schmale Grat zwischen zu viel Gestaltungsfreiheit und Überregulierung stellt sich dabei als klare Herausforderung für alle beteiligten Akteur*innen dar.
Um diese Ideen umsetzen zu können, muss für das Gesamtsystem ein ausgereifter und rechtsverbindlicher Rahmen geschaffen werden. Dieser darf sich nicht an landesspezifischen Interessen orientieren, sondern muss auch in einem überregionalen Kontext bestehen können. Hier sind insbesondere die Kultusministerkonferenz sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Verantwortung, gemeinsam mit dem Akkreditierungsrat und auf Basis der noch ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eine langfristig tragfähige Lösung zu finden. Diese muss dabei sicherstellen, dass landesspezifische Interessen im Bologna-Prozess hinter den Gesamtzielen und einer bundesweiten Interpretation durch entsprechend anerkannte, ausgestattete und kompetente Stellen zurücktreten. Die Länder sind hier klar in der Pflicht, zugunsten der Fernziele des Bologna-Prozesses auf Alleingänge und Machtspiele zu verzichten. Kurzfristig ist deswegen darauf hinzuwirken, bisherige landesspezifische Vorgaben, die in vorliegender Form den Ländergemeinsamen Strukturvorgaben widersprechen, abzuschaffen und sicherzustellen, dass keine weiteren Widersprüche eine rechtliche Umsetzung finden.
Die Struktur mehrerer im Wettbewerb agierender Akkreditierungsagenturen zur Überprüfung messbarer Standards muss grundsätzlich in Frage gestellt werden. In der Vergangenheit hat sich der vor allem finanziell geprägte Wettbewerb (↑ Austauschbarkeit) als nicht zielführend oder sogar schädlich für den Gesamtprozess erwiesen: Ziel der Agenturen ist meist nicht, den Hochschulen ein möglichst umfassendes Bild abzuverlangen, sondern sich in ihrer Position als Dienstleisterin möglichst nah an den Interessen der Hochschulen zu orientieren, ohne dabei ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Dieses kann nicht Ziel eines Akkreditierungssystems sein.
Tatsächlich finden sich aus heutiger Perspektive keine glaubwürdigen Argumente für die Beibehaltung eines Systems mehrerer, parallel agierender Akkreditierungsagenturen, die sich dabei allerdings auf die Überprüfung struktureller und klar formulierter Standards beschränken sollen. Dieses muss deswegen kritisch hinterfragt und gegebenenfalls reformiert werden. Die Aufgabe von Agenturen kann dabei maximal die Übernahme von Kompetenzen im Bereich der Qualitätsentwicklung sein. Die Vorgabe des Rates, in Akkreditierungsverfahren keine beratenden und empfehlenden Angaben zu formulieren, mag zwar im aktuellen Kontext konsistent erscheinen, muss aber mit Blick auf eine Weiterentwicklung des Systems, wie bereits dargestellt, überdacht werden. Die ↑ Kompetenz, die an vielen Stellen bereits jetzt in den Agenturen zu finden ist, kann an dieser Stelle auf neue Aufgabengebiete gelenkt werden: Unterstützung für einen freien, selbst initiierten und selbst gesteuerten Qualitätsentwicklungsprozess für alle Hochschulen in Deutschland. Hier sind Bund und Länder allerdings klar in der Verantwortung, zu ihrem Wort zu stehen, tatsächlich zu der Verbesserung in Studium und Lehre beitragen zu wollen. Eine umfassende, zusätzlich zu schaffende Ausfinanzierung ist notwendig. Das Kooperationsverbot, dass seit 2006 im Grundgesetz verankert ist, verbietet die langfristige Finanzierung der Länderaufgaben (wie beispielsweise der Bildung und Hochschulen) durch den Bund. Ausgenommen sind lediglich Forschungsbauten, sowie kurz- und mittelfristige Programme zur Forschungsförderung wie die Exzellenzinitiative (↑ Exzellenz; ↑ Exzellenz, veloziferische). Das Kooperationsverbot steht einem solchen gemeinsamen Projekt hier klar im Wege und muss abgeschafft werden.
Der fzs bringt diese Position in die Diskussionen zum Qualitätsprozess ein und setzt sich dafür ein, dass die notwendige Reform angestoßen wird. Qualitätssicherung und -entwicklung als Teil des Bolognaprozesses, welcher den Bedürfnissen der Studierenden entspricht, muss unter Beteiligung der Studierendenvertretung umgesetzt werden.
»ECTS-Punkte«, »employability«, »Vorlesung« – diese und viele weitere Begriffe sind durch die Bologna-Reformen in Umlauf geraten oder neu bestimmt worden und haben dabei für Unruhe gesorgt. Die Universität ist dadurch nicht abgeschafft, aber dem Sprechen in ihr werden immer engere Grenzen gesetzt. Anfangs fremd und beunruhigend, fügen sich die Begrifflichkeiten inzwischen nicht nur in den alltäglichen Verwaltungsjargon, sondern auch in den universitären Diskurs überhaupt unproblematisch ein.
Das Bologna-Bestiarium versteht sich als ein sprechpolitischer Einschnitt, durch den diese Begriffe in die Krise gebracht und damit in ihrer Radikalität sichtbar gemacht werden sollen. In der Auseinandersetzung mit den scheinbar gezähmten Wortbestien setzen Student_innen, Dozent_innen, Professor_innen und Künstler_innen deren Wildheit wieder frei. Die Definitionsmacht wird an die Sprecher_innen in der Universität zurückgegeben und Wissenschaft als widerständig begriffen.